Das sich Deutschland im Krieg befindet, ist eigentlich eine unstrittige Sache. Was die Bundeswehr in Afghanistan unter der Flagge der ISAF leistet, nämlich ihre Beteiligung bei einem Einsatz einer multinationalen Streitmacht gegen eine recht gut organisierte terroristische Vereinigung, die vormals den Staat selbst beherrscht hat, ist nicht anders als Krieg zu bezeichnen. Soviel Ehrlichkeit darf ruhig sein.
Nur kurz sei angemerkt, warum zunächst Schröder und dann Merkel als deutsche Kanzler zu feige waren, die Bundeswehrbeteiligung als Kriegseinsatz zu werten: im sogenannten Verteidigungsfall übernimmt nämlich der Kanzler den Oberbefehl und somit die Verantwortung. Hätte die Regierung den Afghanistan-Einsatz jedoch als Kriegsfall gewertet, müsste sich die deutsche Demokratie jetzt nicht so qualvoll verbiegen. Denn wie wir wissen: das Grundgesetz verbietet es uns, einen Krieg zu führen (oder daran teilzunehmen). Aber streiten wir uns nicht darum, denn auch hierfür gibt es Ausnahmen.
Worum es eigentlich geht, ist die grundlegende Feigheit des deutschen Afghanistan-Einsatzes, seiner Konzeption und seiner Durchführung. Denn die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Käßmann, hat völlig recht, wenn sie sagt: "Immer mehr Militär zu schicken, ist doch offensichtlich keine Lösung und bringt keinen dauerhaften Frieden." Sie sagt außerdem: "Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland ist dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen, deshalb muss die gewalttätige Auseinandersetzung möglichst rasch beendet werden". Und das ist völlig korrekt, auch wenn sie dafür jetzt noch so viel Schelte erhält. Das belanglose Geschrei ihrer Kritiker verhüllt nur eines recht unerfolgreich: dass weder die Bundesregierung noch das Parlament noch die Bundeswehr noch die ISAF noch die Vereinigten Staaten noch die UNO in den letzten Jahren beim Aufbau des Landes Afghanistan zu einem nur halbwegs stabilen Staat mit all den stationierten Truppen nicht vorangekommen sind. Und das ist mehr als bedauerlich.
Noch bedauerlicher ist jedoch, dass aus den Fehlern keine Lehren gezogen werden. Die einzige Reaktion des ISAF-Bündnisses ist, den Einsatz zu verlängern und noch mehr Soldaten zu entsenden. Warum ist nun das Konzept und der Einsatz in seiner Gesamtheit feige?
Der Vorfall in Kunduz zeigt deutlich, dass die Bundeswehr ihre Aufgabe in Afghanisation nicht erfüllen kann: von möglichen Verfahrensfehlern des Oberst Georg Klein abgesehen ist bei dem Angriff auf die entführten Tanklaster doch deutlich geworden, dass die Bundeswehr in Afghanistan im Wesentlichen als stehende Zielscheibe dienen darf. Sie darf nicht angreifen, sie darf sich kaum verteidigen und wenn ihre Ausrüstung gestohlen und später ggf. gegen sie verwendet wird, dann darf sie sich auch nicht wehren. Inzwischen muss man sich mit all jenen wieder gutstellen, die man vor 5 Jahren noch verjagen wollte. Der Mut zur Konsquenz fehlt indes. Also stellt sich die Frage: was darf die Bundeswehr in Afghanistan tun, ohne das in Deutschland Geschrei losgeht? Antwort: allzu wenig. Und dies seit nunmehr 5 Jahren. Zeit genug, um weniger feige ranzugehen.
Nicht nur beim militärischen Einsatz, auch beim zivilien Aufbau versagt Deutschland in feiger Zurückhaltung und Konzeptlosigkeit. Vorgenommen hatte man sich viel, erreicht hat man wenig. Bspw. wollte Deutschland Polizisten ausbilden und dazu viele hundert, wenn nicht sogar mehr als tausend Polizeiausbilder nach Afghanistan schicken, um dort die künftigen Schützer der zivilen Gesellschaft zu formen. Daraus geworden ist im Prinzip wenig, es wurden viel zu wenig Ausbilder entsendet, viel zu wenig Afghanen ausgebildet und oft auch noch die falschen. Und man darf sich schon wundern, dass Bundesminister auf Bundesminister wieder und wieder tönt, man würde die Polizeiausbildung stemmen - wo der Bund überhaupt keinen Zugriff auf Polizisten hat, denn die unterstehen nunmal den Bundesländern und die haben ohnehin wenig genug Personal für ihre eigenen Zwecke. Und schließlich kann man Polizisten nicht befehlen, in Afghanistan Dienst zu tun, höchstens bitten. Auch hier war die deutsche Bundesregierung zu feige und zu schlecht organisiert, um das Problem richtig anzugehen, seit nunmehr 5 Jahren.
Aber auch das Deutsche Parlament spielt eine mehr oder weniger rückgratlose Rolle bei dem Krieg in Afghanistan. Wären sich die Bundestagsfraktionen ihrer Verantwortung als Kontrolleur der Regierung bewusst, sie hätten schon längst den Stecker ziehen und die Mandatsverlängerung verweigern müssen. Dabei geht es mir gar nicht um Recht oder Unrecht des Einsatzes - mein gesamtes Gerechtigkeitsempfinden atmet auf bei dem Bewußtsein, dass das barbarische und grauenvolle Taliban-Regime in Afghanistan von der Macht vertrieben wurde - sondern es geht um die Rückgratlosigkeit des Parlaments, dass sich wiederholt und wiederholt über den Tisch hat ziehen lassen. Schrittweise wurde der zunächst eng befristete und extrem stark begrenzte Einsatz immer mehr erweitert um die wohlgemerkt einzige klare Strategie, wenn etwas schiefging: "mehr Soldaten". Darin erschöpfte sich dann auch die Phantasie der jeweiligen Verteidigungsminister, die sich auch gerade aufgrund des fehlenden, echten Konzeptes aufrieben, insbesondere Franz-Josef Jung, der über seine mehr als schlechte Amtsführung zu guter letzt doch noch stürzte. Zumindest das war noch eine gute Sache.
Alles in allem ist der Afghanistan-Krieg doch kein Krieg. Denn wäre es ein echter Krieg, dürfte die Bundeswehr agieren statt zu reagieren. Wäre es ein echter Krieg, würde die Kanzlerin die Verantwortung dafür übernehmen und agieren statt zu ignorieren. Wäre es ein echter Krieg, würde Deutschland sich strategische und taktische Ziele geben, statt einfach willig der offenbar gescheiterten amerikanischen Strategie zu folgen. Wohlgemerkt, wäre es ein echter Krieg... und kein feiger.
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