Sonntag, 9. Mai 2010

Die peinliche FDP und das Verkennen der Zeitzeichen

Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung. Insbesondere eine Idee gewinnt im Zuge der Finanzkrise, der Wirtschaftskrise, der Bankenkrise, der Griechenlandkrise, der Eurokrise und der Steuerkrise an Fahrt: die so genannte Finanztransaktionssteuer (FTS), ursprünglich Tobin-Tax, weil es nämlich der Wirtschaftswissenschaftlicher James Tobin war, welcher ihre Grundzüge entwickelt hat. Sein Vorschlag ist seit 1972 überarbeitet worden und heute ist die FTS Gegenstand heftiger Debatten.

Was ist die FTS und was bewirkt sie? Ich übernehme an dieser Stelle hemmungslos den gut erklärenden Text aus der Wikipedia:
Der von Tobin vorgeschlagene Steuersatz würde auf alle grenzüberschreitenden Geldtransfers weltweit einheitlich erhoben und läge zwischen 0,05 Prozent und 1,0 Prozent. Für konventionelle Transfers wie Direktinvestitionen oder die im Warenhandel anfallenden Transaktionen wäre diese Steuer vernachlässigbar gering, da die anfallenden Kosten im Verhältnis zu den pro Transaktion anfallenden Gewinnen nicht relevant sind. Bei spekulativen Transfers, die zur Gewinnerzielung auf geringe und kurzfristige Schwankungen von Kursen setzen (Daytrading), würden bereits Abgaben in der geringen Höhe einer Tobin-Steuer die je Transaktion nur sehr niedrigen Gewinne eliminieren.
Zur Illustration der besonderen Belastung kurzfristiger Transaktionen kann folgendes Rechenbeispiel dienen: Bei einer Tobin-Steuer in Höhe von 0,2 % pro Transaktion würde für einen Kapitalbetrag, der ein Jahr lang jeden Monat einmal international wandert, eine Belastung von ca. 12·0,2 = 2,4 % (genau: 1-(1-0,002)12 = 2,37 %) anfallen. Wenn der Betrag einmal wöchentlich transferiert wird, würde die Belastung auf ca. 52·0,2 = 10,4 % (genau: 1-(1-0,002)52 = 9,89 %) wachsen. Bei einer Transaktion pro Arbeitstag würde der Betrag mit ca. 52·5·0,2 = 52 % (genau: 1-(1-0,002)52·5 = 40,58 %) besteuert. Im Jahr 1996 waren über 80 % der weltweiten Devisentransaktionen „round-trips“, die längstens innerhalb einer Woche zwischen zwei Währungen hin und her pendelten.
Wer sich ausführlicher dafür intererssiert, der kann sich dieses Abstract zur FTS durchlesen.

Im Jahr 2009 ist diese Quote von 80% nicht wesentlich anders gewesen und sie bedeutet, dass der weitaus überwiegende Teil von Finanztransaktionen zwischen professionellen Instituten abgewickelt wird und so gut wie nichts mit dem "kleinen Sparer" zu tun hat. Daher ist die FDP leider an Peinlichkeit schlecht zu überbieten, wenn Sie die FTS aus diesem Grund ablehnt und mit dieser Ablehnung sogar die Koalitionsfrage verbindet. Denn die FDP sagt in Person von Andreas Pinkwart folgendes: "PINKWART: Nein, eine solche Börsenumsatzsteuer müssen am Ende die Kunden zahlen. Außerdem werden dadurch alle Kapitalmarktgeschäfte teurer, auch solche, die nicht riskant sind."

Verstehe. Und die 100 Milliarden Euro, welche vom Bund an die Hypo Real Estate gezahlt wurden, damit die marode Bank nicht pleite geht, sind wohl vom Himmel gefallen und NICHT vom Steuerzahler gekommen. Was für Unsinn. Wie oben bereits festgestellt: rund drei Viertel aller so genannten Finanztransaktionen finden im Interbanken- und Interinstitutshandel statt und betreffen kaum die Endkunden. Auch die Höhe der Steuer, die von der Höhe der Transaktion abhängen würde, würde zu mehr als 90% von den Instituten aufgebracht, da die Transaktionen von Endkunden in ihren Höhen und Summen im Vergleich zu den Transaktionen im Fonds-, Aktien- und Papierhandel gering sind.

Das bedeutet: die Steuer würde in Höhe zum größten Teil von den Finanzinstitutionen aufgebracht, welche den Handel organisieren und daran verdienen und damit von exakt denjenigen Einrichtungen, welche in den letzten Jahren in zunehmenden Maße die Destabilisierung der globalen Finanzmärkte verursacht haben und dann mit vielen hundert Milliarden an Steuergeldern versorgt wurden. Dass sich ausgerechnet die FDP gegen die Einführung dieser Steuer wehrt - auch im Angesicht ihrer immer noch nicht aufgegebenen Steuerreformpläne - ist nicht nur unverständlich, sondern es ist sogar das Schlechteste, was sie für ihre eigenen Zwecke tun kann.

Sie verkennt die Zeichen der Zeit, denn die FTS wird kommen. In der EU wird die Steuer zunehmend ernster diskutiert, Frankreich und Belgien haben sie bereits beschlossen und werden sie einführen, wenn Europa mitzieht. Spätestens in einigen Jahren, wenn die privatwirtschaftlichen Finanzinstitutionen die nächste Finanzkrise mit Milliardenkosten für die Staaten produziert haben werden, wird der politische Druck zumindest in der EU so groß werden, dass die Steuer in Euroland eingeführt wird. Wenn man sich dabei nicht allzu ungeschickt anstellt, wird sie ein Instrument werden, das den Haushalten ähnliche hohe Einnahmen beschert, wie heute die Einkommen- und Umsatzsteuer. Sobald erst einmal die EU diese Steuer nutzt, werden andere Länder folgen, denn sie ist einfach ein zu geeignetes Instrument für Staaten, sich mit erheblichen Summen zu finanzieren.

Letztlich frage ich mich schon seit der Bundestagswahl, der mißglückten Regierungsbildung und im Zuge schlechten Regierungsarbeit, wie lange ich meiner Partei noch zur Seite stehen will. Die Ablehnung der Finanztransaktionssteuer ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zum Abschied von der FDP, denn das Unvermögen der Parteispitze, die Zeichen der Zeit zu erkennen und entsprechend zu handeln, ist für mich als liberalem Geist sowohl bedrückend wie auch bedauernswert. In der Summe ist es jedoch leider hauptsächlich peinlich.

P.S. Die Kampagnen http://www.makefinancework.org und http://robinhoodtax.org.uk organisieren politischen Druck zur Einführung der FTS. Ich spreche die eindeutige Empfehlung aus, diese Kampagnen zu unterstützen. Eine Petition im Deutschen Bundestag ist auch schon anhängig, kann aber leider nicht mehr unterzeichnet werden.

2 Kommentare:

  1. Die FTS hat nichts mit liberal zu tun. Das problem ist die geldpolitik und das staatlich geldmonopol. Siehe frank scheffler, MdB

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  2. Keine Steuer hat etwas mit "liberal" zu tun. Dennoch benötigt ein Staat Geldquellen, um seine Tätigkeiten zu finanzieren. Ein Liberaler wird diese Tätigkeiten enger begrenzen wollen als ein Sozialdemokrat oder ein Konservativer. Aber die FTS ist eine bessere Steuer als der Haufen an Kleinststeuern, die teuer in der Erhebung und gering an Einnahmen sind (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Steueraufkommen_(Deutschland) ).

    Die unabhängige Geldpolitik der EZB und ihr Geldmonopol sind hingegen sinnvoll und auch notwendig für eine stabile Währung. Die Geldpolitik der EZB ist auf Stabilität des Geldwertes ausgelegt, was richtig ist und das Geldmonopol notwendig zur Aufrechterhaltung der Geldmenge, damit die Stabilität auch glaubwürdig ist.

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