Donnerstag, 12. April 2012

Mehr Glück und weniger Trübseligkeit


Nein, ich möchte nicht sagen "Ich bin stolz auf Deutschland". Das trifft es nämlich nicht. Ich bin nicht "stolz" auf das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, arbeite und lebe. Es ist vielmehr so, dass ich mich glücklich schätze, hier zu leben. Denn ich mag dieses Land. Ich freue mich über seine Errungenschaften. Ich finde sein heutiges Gesellschaftsmodell sehr lebens- und auch lobenswert. Das politische System gefällt mir trotz seiner Unzulänglichkeiten sehr gut. Und die geographische Lage und der natürliche Reichtum sind ebenfalls Pfunde, mit denen es wuchern kann und die mich glücklich machen. 

Denn es kann nicht schaden, den Blick von außen bei solchen Überlegungen mit einzubeziehen. Wir müssen uns ja nicht gleich damit brüsten, dass Deutschland die letzten beiden Jahre das beliebteste Land der Welt war, auch wenn das gut zu wissen ist. Viel interessanter finde ich da beispielsweise das sympathische Auftreten der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM in Südafrika. Die deutsche Mannschaft war ein superber Botschafter für das Land, hat uns mit ihrem fairen und flotten Fußballspiel begeistert. Und das eine solche, ohne Zweifel multiethnische Truppe wie die deutsche Mannschaft Sympathien für das Land weckt, stimmt mich fröhlich.

Warum? Na, weil es Balsam für die oft geschundene deutsche Seele ist, die sich so gerne in Selbstzweifeln und Selbsthass ergibt. Denn es ist viel schwerer, sich selbst zu hassen, wenn alle anderen das nicht tun. Und mit dem Selbsthass aufzuhören ist es - verdammt - an der Zeit. Um zur Fußballmethapher zurückzukehren, finde ich es dabei prächtig, dass Deutschland unter anderem von einem afrikanisch-stämmigen, in Deutschland geborenen Boateng, einem in Polen geborenen und nach Deutschland übergesiedelten Klose, einem Podolski, der ebenfalls in Polen geboren wurde und nun beide Staatsbürgerschaften hat, einem halb-tunesischen, in Deutschland geborenen Khedira, dem in Deutschland geborenen Özil, dessen Eltern aus der Türkei hier eingewandert sind, vertreten wird. Das Symbol dabei ist mir wichtig: Deutschland konstituiert sich nicht aus genetischer Abstammung und es gibt auch keine deutsche Rasse. Denn Deutschland war und ist schon seit zweitausend Jahren ein Land, in dem viele Ethnien leben, ein echter Hexenkessel der unterschiedlichsten Völker und Stämme, der immer wieder durchgeschüttelt und durchgerührt wurde. Und die hier lebenden Menschen hat nicht die Farbe ihrer Haut, sondern der Glaube an die Werte dieser Gesellschaft zu einen.

Ich will dabei in meiner unbeschwerten Fröhlichkeit gar nicht in das andere Extrem verfallen, denn deutsche Großmannssucht und Überheblichkeit sind ebenso passé wie der deutsche Selbsthass. Stattdessen sollten wir selbstbewusst und hilfsbereit nach außen, sorgsam und kritisch nach innen sowie freimütig und offen gegen alle auftreten und uns als überzeugte Europäer in diesen noch größeren und noch bunteren Vielvölkerstaat namens EU einbringen. Denn dort liegt die Zukunft der europäischen Gesellschaft. Und dort sollten wir dafür sorgen, dass die Werte, welche uns wichtig sind, übernommen werden und dafür an anderen Stellen, wo wir von der Lässigkeit anderer Gesellschaften lernen können, Abstriche am deutschen Perfektionismus und Regularismus machen.Wir schätzen die Italiener für ihren Lebensstil, die Franzosen für ihre Kultiviertheit, die Schweden für ihre Zurückhaltung, die Österreicher für ihre Gemütlichkeit, die Spanier für ihr Temperament und die Niederländer für ihren Gleichmut. Und von allen haben wir uns in den letzten Jahrzehnten bereits viel abgeschaut. Und ohne das wir auch den Hang der Italiener zur Anarchie, den französischen Egoismus und Patriotismus, die spanische Sorglosigkeit oder den griechischen Schlendrian übernommen hätten, so sind wir heute doch bereits ein viel fröhlicheres, gerechteres, unbeschwerteres, gleichberechtigteres und freundlicheres Land als noch vor 50 Jahren.

Denn es geht uns gut, es geht uns viel besser als jeder Generation vor uns. Es mag sein, dass wir auf dem Weg in ein halbwegs realistisches Utopia noch viele Schritte vor uns haben. Aber wir sollten uns auch klar machen, dass wir auf diesem Weg bereits viel mehr Schritte hinter uns haben. Es ist ein Glück, ausgerechnet in diesen Zeiten und in diesem Land zu leben und dass sollte man sich immer wieder verdeutlichen.

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