Vollkommen entwertet ist inzwischen der Titel des Doktors. Als mir jüngst zwei Bekannte von ihren Doktoranden-Ambitionen erzählten, fragte ich, ob sie da auch "den Guttenberg machen werden" oder sich den "Doktortitel einfach doch nur in Ungarn kaufen". Erhellend war die verlegene Reaktion und das nachfolgende Gespräch, in welchem nicht so recht klar wurde, was eigentlich am Doktortitel so erstrebenswert sei - außer das er den Karriereambitionen in der Wirtschaft nützen sollte. Mir scheint das eine nutzlose Beschäftigung, denn drei wesentliche Faktoren haben dazu beigetragen, dass man den Titel "Doktor der..." oder "Doktor x." nicht mehr als Bestätigung für außerordentliche oder auch nur überdurchschnittliche Befähigung für eine bestimmte Berufung ernst nehmen kann:
Zum ersten ist da die Entwicklung der letzten Monate, in denen fleißige Plagiatsjäger der Öffentlichkeit vorgeführt haben, mit welcher Schlampigkeit und kumpel- und bandenhaftem Verhalten die deutschen Hochschulen die begehrten Titel reihum verleihen. Man kann es vielleicht so ausdrücken, dass an der durchschnittlichen deutschen Universität jedem der Doktortitel zuerkannt wird, der nur lang genug an seinem Doktorvater kleben bleibt, sich einigermaßen willfährig verhält und dreist darauf setzt, dass ohnehin nicht genau genug geprüft wird, was an der Doktorarbeit selbst geschrieben und was fremd verfasst ist. Die Universitäten haben im Gegenzug wenig Anstrengungen unternommen, sich tatsächlich mit dem Thema "Plagiat" auseinanderzusetzen und vertrauen stattdessen blind der schnell unterschriebenen Ehrenerklärung der Doktoranden. Professionalität sieht anders aus.
Zum zweiten hat man öffentlich die Zahnlosigkeit bemerkt, mit der überführte Plagiatoren von den Hochschulen und Staatsanwalten gestellt und für ihr ungesetzliches Handeln bestraft werden. Natürlich verlieren glasklar überführte Plagiatoren ihren Doktortitel - aber das war es dann meist auch. Tatsächliche Bestrafungen, die das Gesetz vorsieht und die angesichts der um sich greifenden Copy-and-Paste-Kultur zur Abschreckung dringend nötig wären, sind eher selten an der Tagesordnung. Die Staatsanwaltschaften und Hochschulen legen sich eher ungern mit dem deutschen Bildungsbürgertum und politischen Akteuren an und man merkt die Lustlosigkeit, geltendem Recht und moralischer Notwendigkeit Geltung zu verschaffen.
Und zum dritten ist durch die Haltung überführter Plagiatoren, die ihr Handeln auch dann noch rechtfertigen, wenn es längst nicht mehr zu rechtfertigen ist, klar geworden, dass diese ihr Tun ohne einen Anflug von Unrechtsbewußtsein in einen Mainstream eingebettet sehen. Denn vor allem die ertappten Abgeordneten von Karl-Theodor zu Guttenberg über Silvana Koch-Mehrin, Jorgo Chatzimarkakis hin zu Matthias Pröfrock haben es nicht für nötig befunden, nach dem erzwungenen Verlust des Doktorstitels auch von selbst ihr Mandat niederzulegen. Der Schaden, den sie der demokratischen Kultur zufügen, ist immens, das Vertrauen der Wähler in Politiker leidet weiter. Auch die jeweiligen Fraktionen konnten sich peinlicherweise nicht durchringen, die fraglichen Mandatsträger ob ihres strafrechtlich relevanten Verhaltens auzuschließen oder zum Rücktritt aufzufordern - ganz so, als ob die Täter nicht gegen das Gesetz verstoßen, sondern eher eine Art dumme Ungeschicklichkeit begangen hätten, die man als Lapsus durchgehen lassen konnte. Auch sie tragen mit ihrem stillschweigenden und feigen Mittragen solchen Verhaltens ihren Teil an der Misere und der wachsenden Verachtung der Wähler für politische Kräfte, die zwar moralisch reden, aber nicht moralisch handeln. Man kann nur vermuten, dass weitere Plagiate in ihren Reihen schlummern und hoffen, dass auch diese ans Licht kommen.
Die Schlußfolgerung ist, dass der Doktortitel als Ausweis von Reputation oder Fachwissen entwertet ist. Das Vertrauen in seine Aussage zurückzugewinnen, wird lange dauern und nicht notwendigerweise von Erfolg gekrönt sein. Das mag nicht das schlechteste sein, denn gekaufte Doktoren braucht niemand. Wenn der Titel nichts mehr wert ist, geht es beim Doktorarbeit-Schreiben vielleicht irgendwann wieder nur um Wissenschaft - und nicht um Bestätigung und Einkommen.
Als Einstieg in die Karriere in der freien Wirtschaft mag der Doktor entwertet sein, als Einstieg in die Welt der Wissenschaft bleibt er jedoch systembedingt unentbehrlich.
AntwortenLöschenIst ein Faktor, den man berücksichtigen sollte - aber ändert nichts an den Folgen der immer neuen Skandale in diesem Bereich in der Politik.