Eine solche Abwahl hat ihre Gründe. Diese liegen offen auf der Hand. Eine Partei vermittelt über hauptsächlich zwei Faktoren ihre Glaubwürdigkeit an die Wähler: Themen und Personen. Wenn beides glaubwürdig ist und beide Faktoren den Wählern gefallen, wird eine Partei gewählt. So kann ich bspw. Steinbrück als Person als glaubwürdig empfinden, aber die Themen der SPD gefallen mir nicht, also wähle ich beide nicht. Bei den Linken gefallen wir weder Themen noch Personen, also haben sie auch keine Chance auf meine Stimme.
Die Gründe für die gestrige Abwahl der FDP können nicht in den Themen liegen, denn die Themen, für die sie 2013 angetreten ist, sind dieselben, wie schon in den Jahren und Wahlen von 2009, 2005 oder 2002: Freiheit, Datenschutz, Eigenverantwortung, Wirtschaftlichkeit, Augenmaß, Seriosität. Es scheint auch so zu sein, dass die Themen heute keine wesentlich geringere Rolle spielen als noch im letzten Jahrzehnt, zumindest werden sie im politischen Diskurs weiter hoch gehandelt. Man kann sich in der Zeit allumfassender Informationsvermittlungsmöglichkeiten auch nicht darauf berufen, man hätte diese Themen nicht vermitteln können. Die FDP hätte gerade mit ihren Kernthemen "Datenschutz" und "Freiheit des Individuums" in diesem Jahr so sehr punkten müssen wie selten zuvor.
Also muss es daran liegen, dass diese Themen nicht glaubwürdig vertreten worden sind. Und das wiederum kann nur an den handelnden Personen in Regierung und Fraktion liegen. Die FDP hat also ein Glaubwürdigkeitsproblem, das durch ihr Spitzenpersonal verursacht worden ist. Das hatte ich bereits 2010 diagnostiziert und als einzigen Ausweg die Flucht in die Opposition empfohlen. Diese Demut haben wir nicht gezeigt. Dafür wurde die FDP vom Wähler nun in die außerparlamentarische Opposition gezwungen. Die Verantwortung dafür liegt bei Westerwelle und seinem Stab, dessen ungeschickte und strategisch jämmerliche Koalitionsverhandlungen von 2009 dafür gesorgt haben, dass wir keines der Kernthemen, mit denen wir 2009 zur Wahl erfolgreich waren, in Regierungshandeln umgesetzt haben. Niemals hätte Westerwelle das Außenministerium in Beschlag nehmen dürfen. Stattdessen hätte er als Fraktionschef der größten FDP-Fraktion aller Bundestage wortgewaltig Angriffe auf die Opposition fahren müssen - eine Rolle, die ihm stets gelegen hat. Niemals hätten wir uns das Entwicklungshilfeministerium aufschwatzen lassen dürfen - der Kontrast eines Ministeriums zu dessen Minister, der es vor der Wahl hatte abschaffen wollen, war einfach zu groß. Niemals hätten wir auf das Finanzministerium unter Hermann Otto Solms verzichten dürfen, mit dessen Einfluss wir die versprochene Steuerreform durchführen hätten können. Niemals hätten wir stattdessen Steuerausnahmen für Klientelgruppen durchgehen lassen dürfen. So wären wir glaubwürdig geblieben. Die Regierungsmitglieder der Liberalen haben sich stattdessen von der Union an den Rand drängen und neutralisieren lassen. Dabei haben sie ihre eigentliche Regierungsarbeit gar nicht so schlecht gemacht: Medikamentenkosten erstmalig in der Geschichte gesenkt, Entwicklungshilfe stärker koordiniert, Datenschutz gegen Begehrlichkeiten und Aushöhlung verteidigt sind drei wichtige Beispiele. Das hat nur völlig zu Recht niemanden interessiert, weil Glaubwürdigkeit ein Gut ist, dass man nur einmal verspielen und so gut wie gar nicht wieder gewinnen kann. Die liberale Regierungsmannschaft war nicht glaubwürdig. Dafür, und für ihr Unvermögen, diese rechtzeitig aus dem Amt zu befördern, wurde die FDP abgewählt.
Machen wir es deutlich: die FDP hat ihre Abwahl verdient. Das sie aus dem Bundestag fliegt, gibt ihr die Chance zu einem vollständigen personellen Neuanfang. Alle Protagonisten der jetzigen Regierungsmannschaft und Fraktion müssen zurück in die Reihe treten oder gehen. Neue Leute müssen die Zeit zum Wiederaufbau nutzen - was sicherlich geschehen wird.
Für das Land wird es jedoch eine Katastrophe sein, wenn die CDU nun keinen Koalitionspartner findet und am Ende eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung entsteht. Die Weichen dafür werden schon gestellt. Das haben sich vielleicht auch all diejenigen nicht gewünscht, die die FDP zornentbrannt nicht gewählt haben, um ihr einen Denkzettel zu verpassen, aber doch nicht wollten, dass es zu einer linken Regierungsmehrheit kommt. Nun, damit werden wir jetzt leben müssen - oder am Ende Neuwahlen haben, wenn klar wird, dass es überhaupt keine stabile Regierungskoalition gibt. Der Wähler kann zwar bockig sein, aber er kann Parteien eben auch nicht in Koalitionen zwingen, die sie nicht wollen.
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